NEUE KUNST IN ALTEN GÄRTEN

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Gaby Taplick
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Höhle und Hochsitz

Nachrichten aus einem „Land, das lange zögert, bis es untergeht“ (R. M. Rilke), so könnte man vielleicht die Substanz der Werke von Gaby Taplick fassen. Sie selbst hat in einem Interview über ihre Arbeiten gesagt, dass „Kindheit ein durchgehendes Thema“ in ihnen sei. Das macht in gewisser Weise auch schon das Material deutlich, das sie für sie verwendet: Pappen, Hölzer, alte Möbelteile, ausrangierte Stoffe. Wegwerf materialien, die für die konsumkritische arte povera nicht weniger charakteristisch sind als für die Bauten fantasie begabter Kinder.

Im Landschaftsgarten des Unterguts in Lenthe hat Taplick aus Recyclingholz eine offene Architektur aus rechtwinkligen Strukturen gebaut, die gleichwohl bauchig in der Form ist; ein wenig wie ein Ball auf einem Podest. In diesen Ball kann der Betrachter hineingehen, in einer Art Treppenturm in die Höhe steigen und auf einer schmalen Aussichtsplattform den Park überblicken. Die Module der Architektur erinnern an die Minimal Art. Deren Kunstideale stellen indes der narrative Charakter des Werks und seine Gebrauchsmöglichkeiten nachdrücklich in Frage.

Ein Refugium für Kinder ist Taplicks schönes Werk nicht nur, weil es mit dem Charakter von Uterus und Höhle spielt.

Es nährt durch sein Observatorium auch Omnipotenzfantasien, die umso stärker ausgeprägt sind, je schwächer sich die Kinder in der Wirklichkeit fühlen. Zugleich erinnert der Übersicht schenkende Platz in luftiger Höhe aber auch an die bei Besuchern von Land - schaftsgärten beliebten Ausgucke und nicht zuletzt an Hochsitze für Jäger. Alle diese Assoziationen verdichten sich in unnachahmlicher Weise in dem an ein Kinderbuch erinnernden Titel des Werks.

Ihrem Werk vom Untergut hat die Künstlerin auf dem Obergut neben dem Herrenhaus eine Art Pendant hinzugefügt. Ebenso anspielungsreich und erzählend wie die Untergut-Plastik, sieht es formal ein wenig so aus, als habe sich deren streng orthogonaler Treppenturm selbstständig gemacht und sei zum Obergut gewandert. Hier steht er nun, in sich geschlossen bis auf eine Art offenes Visier, das ihm trotz seiner geometrischen Faktur das Aussehen einer modernen Wächterfigur gibt. Es genügt, für diese Assoziation an Piet Mondrian zu denken, der zu seinen abstrakten Werken gesagt hat: „Die Vertikale ist der Mensch, die Horizontale die Welt.“ Oder ganz einfach an die belebende Fantasie eines Kindes.

(Michael Stoeber)


Wo die stolzen Hirsche wandeln
ehemalige Gartenhütte, Dachlatten
2014



Vita

www.gabytaplick.com

2001–2007 Studium Bildende Kunst an der FH Hannover
bei Prof. Bernhard Garbert und Wolfgang Bulla

2014 Attendorner Kulturstipendium
2014 Artist in Residence, MMCA, Changdong Art Studio,
Seoul, S- Korea
2012 Projektstipendium Karin Abt–Straubinger Stiftung
2012 Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT Berlin
2009 Jahresstipendium des Landes Niedersachsen
2008 Projektförderung Stiftung Kunstfonds
2007 Preis der Riedel de Haen Stiftung
2007 Kunstpreis Schlosspark 2007

Ausstellungen (Auswahl)
2014 Taehwa River Eco Art Festival 2014, Ulsan (KR)
2013 In den Raum geflüstert, Galerie ARTAe, Leipzig
2012 imaginäre Reisen, ehemaliges Amerika Haus,
Berlin
2011 Die Familie als Wurzel allen Übels, Poolbar,
Feldkirch (A)
2010 Project Jardin, Bellevue-Saal, Wiesbaden
2009 Boondocks, Public Space und Kubus, Hannover
2008 Utopie des Raums, Nationales Museum für
Bildende Künste, Bischkek (KS)
2007 Rheinblicke Einblicke, Schlosspark, Köln

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