NEUE KUNST IN ALTEN GÄRTEN

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Emil Cimiotti
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Schädel und Maske

Während Morlocks und Rohrers Werke in irritierender Fremd heit zum locus amoenus ihrer Präsentation stehen, fügen sich die Bronzen von Emil Cimiotti in harmonischer Weise in die sie umgebende Natur ein. Ihre Erscheinungen waren schon immer Motive für die Kunst des dreimaligen documenta-Teilnehmers.

Sein „Berg” (1990) legt Zeugnis davon ab. Das Monumentale des Sujets, das andere Künstler hervorheben würden, führt Cimiotti auf die Ebene des Modells herunter. Statt uns zu überwältigen durch Erhabenheit wird der Berg zum Gegenstand unserer forschenden Neugierde. Wir studieren seine tektonischen Faltungen und be wundern zugleich das ästhetische Gleichmaß seiner Fügung. Durch seine schlanke Aufsockelung wirkt er wie eine exotische Blume.

Cimiottis „Schädel” (2008) ist ein fulminantes Werk mit äußerst ambivalenten Anmutungen. Er ist nur etwas überlebensgroß und so präsentiert, dass wir auf ihn schauen wie Narziss aufs Wasser. In dieser Weise wird er für uns zum Spiegel, in dem wir unser Schicksal lesen. Als Totenkopf erzählt er von der Vergänglichkeit und vielleicht auch Vergeblichkeit des Lebens. Ein klassisches Vanitassymbol.

Aber Emil Cimiottis „Schädel” lässt sich mit aller Vorsicht auch als Maske verstehen. Nicht als eine, wie wir sie im Karneval tragen, um zu einem anderen Menschen zu werden und die Identität zu wechseln. Sondern als eine, mit der wir verschmelzen. So wie Maske im Lateinischen „persona” heißt. Reißt man uns die herunter, löst sich auch das Fleisch mit ab, und wir verlieren unser Gesicht.

(Michael Stoeber)


„Rollendes Feld”, Vier Grabungen, verschiedene Maße
Erd-Aushub, Glasmurmeln verschiedener Größe und Farbe,
Holz, Bindfaden, Plakat „Hände und Murmeln”, 2012




Vita

* 1927 * in Göttingen

1946–1948 Steinmetzlehre
1949–1954 Studium an der Akademie der Bildenden Künste
Stuttgart bei Otto Baum, an der Hochschule für Bildende
Künste Berlin bei Karl Hartung und an der Académie de la
Grande Chau mière in Paris bei Ossip Zadkine
1949–1954 Stipendium der Studienstiftung des deutschen
Volkes

1955 erste Arbeiten in Bronze
1957 Kunstpreis »junger westen 57« für Bildhauerei,
Recklinghausen
1958 29. Biennale in Venedig, Italienischer Pavillon
1959 Kunstpreis »junger westen 59« für Handzeichnung,
Recklinghausen; Preis der Gesellschaft der Freunde junger
Kunst, Baden-Baden; Stipendium der Villa Massimo, Rom;
documenta II, Kassel; Biennale junger Kunst im Musée
d’Art moderne, Paris; Wanderausstellung »European Art
Today« in den USA
1960 30. Biennale in Venedig, deutscher Pavillon
1961– 1963 Niederlassung in Aich bei Stuttgart
Biennale junger Kunst im Musée d’Art moderne, Paris
1963–1992 Mitbegründung und Professur an der Staat -
lichen Hochschule für Bildende Künste Braun schweig;
Umzug nach Wolfenbüttel
1964 documenta III, Kassel
1974–1976 Ständehausbrunnen Hannover, als erster von
insgesamt vier »Blätterbrunnen«
1977 Retrospektive in der Kunsthalle Mannheim 1984
Niedersachsenpreis für Kultur 1986–1996 Gebrauch von
Farbe als zusätzliches Ge staltungs mittel 1992 Bezug des
neuen Ateliers in Hed wigs burg bei Wolfenbüttel 1994
Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg,
Sektion Bildende Kunst 1995 Ausstellung »Europäische
Plastik des Informel, 1945 – 1965«, Wilhelm Lehmbruck
Museum, Duisburg 1999 – 2009 Erwerb mehrerer großer
Plastiken durch die Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden 2006 Ernst-Rietschel-Kunstpreis für Bildhauerei
2007 Ausstellung im Sprengel Museum Hannover
2010 Ausstellung »Plastik und Skulptur des Informel«,
Märkisches Museum Witten, Beginn einer neuen Werk -
gruppe auf Stahlträgern



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