NEUE KUNST IN ALTEN GÄRTEN

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Birgit Dieker
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Huckepack

In diesem Baum im Park des Oberguts wachsen seltsame
Früchte. Um seinen Stamm winden sich bunte Girlanden aus
Kleidern und Textilien. Stoffwürste hängen von seinen Ästen
herunter und bilden große Ketten. Das sieht nicht nur exotisch
aus, sondern auch theatralisch und poetisch. Hinter der In-
szenierung wird eine rhetorische Figur sichtbar: Die Metonymie,
die durch den Ort ihres Auftritts in eine zweite rhetorische Figur
springt, in die Metapher. Metonymisch repräsentieren die
Kleider die abwesenden Menschen, denen sie gehören, denn
sie sind ein Teil von ihnen. In ihrer Installation praktiziert Birgit
Dieker, was in der Kunst der Moderne Konjunktur hat: die Re-
animation klassischer rhetorischer Figuren. So eindeutig die
Entschlüsselung der Metonymie ist, so vieldeutig liest sich das
Werk in seiner Metaphorik. Geht es bei der Allianz von Mensch
und Baum um eine innige Symbiose? Um den Versuch einer Sinn
stiftenden Verbindung von Mensch und Natur, ein Aspekt, der
ebenfalls im Werk von Gräfe vorhanden ist? So bunt und kar-
nevalesk die Textilien im Baum auch aussehen mögen, der As-
pekt scheint vernachlässigenswert. Eher transportieren die
Kleiderbündel die Vorstellung von Reise und Unterwegssein,
Flucht und Heimatlosigkeit. Eine Vorstellung, deren Düsteres
und Bedrückendes durch das Spielerische und Farbige des
Werks noch verstärkt wird. In Paris lässt sich beobachten, wie
Obdachlose und Migranten tagsüber ihre Koffer und Bündel in
Bäumen unterbringen, damit sie nicht gestohlen werden. Die
Flucht in den Baum kann viele Formen annehmen und allemal
auch ein Überlebensprinzip sein.

Kleidung
2010



Vita

www.birgit-dieker.de

*1969 in Gescher, Westfalen

1990–1999 Studium der Germanistik an der Technischen
Uni versität Berlin und der Kunsterziehung an der Hoch-
schule der Künste Berlin, 1993–1999 Studium der Bild-
hauerei an der Hochschule der Künste Berlin, Meister-
schülerin bei Michael Schoenholtz

1997 Stipendium des Cusanuswerks, Bonn
1999 Georg-Meistermann-Stipendium, Bonn
2001 Bernhard-Heiliger-Nachwuchsstipendiatin, Berlin
2002 Preis der Ilse-Augustin-Stiftung zur Förderung
bildender Künstler (mit Renate Anger)
2008 Arbeitsstipendium der Senatsverwaltung für
Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin

Ausstellungen (Auswahl)
2010 „Wiedereröffnung des Albertinums”, Staatliche
Kunstsammlungen Dresden
2009–2010 „Niet Normaal – Difference on Display,
&Society”, Beurs van Berlage,
Amsterdam
2009 „Selected Artists”, Stipendiatinnen und Stipendiaten
des Arbeitsstipendiums für Bildende Kunst des Berliner
Senats 2008, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin
2008 „Evolution”, Max Lang Gallery, New York „Facetten
der Moderne. Das Menschenbild im Wandel.”, Skulpturen-
sammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
2007 „Die Macht des Dinglichen – Skulptur heute”,
Georg-Kolbe Museum, Berlin
2006–2007 „Diagnose Kunst – Die Medizin im Spiegel der
zeitgenössischer Kunst”, Kunstmuseum Ahlen und
Museum im Kulturspeicher Würzburg
2005 „Fraktale IV – tod”, Palast der Republik, Berlin
2003–2004 „Corporal Identity - Körpersprache”,
9. Triennale für Form und Inhalte, Museum für
Angewandte Kunst, Frankfurt am Main; Klingspohr
Museum, Offenbach; Museum of Arts and Design, New
York „Flexible 4 – Identities”, The Whitworth Art Gallery,
Manchester; Nederlands Textielmuseum, Tilburg; Brandts
Klaedefabrik, Odense/Dänemark, Landesgalerie am
Oberösterreichischen Landesmuseum, Linz

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